VW-Chef Matthias Müller in Genf: "Bei aller Liebe zum Automobil..."

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    • VW-Chef Matthias Müller in Genf: "Bei aller Liebe zum Automobil..."

      Die großen News fehlen an diesem Vorabend des Genfer Autosalon, zu dem der VW-Konzern traditionell den Auftakt gibt. Wer genau hinhörte, entdeckte dennoch interessante Botschaften.

      Nicht selten verstecken sich die wichtigsten Nachrichten zwischen den Zeilen. So auch an diesem Abend in Genf als VW-Konzernchef Matthias Müller vor rund 500 Pressevertretern den Genfer Autosalon inoffiziell eröffnet.
      Wer große Ankündigungen - wie etwa ein 'Ja' zur Hardware-Nachrüstung, ein bis dato gut verstecktes neues Modell oder eine große Neu-Investition - der kam umsonst.
      Wer bei der Rede jedoch genau hinhörte, der konnte auf so manche Veränderung im VW-Konzern schließen.
      Müller zeichnete den großen Bogen und stellte seiner Rede Worte des US-Städte-Forschers Fred Kent voran. "Wenn man Städte für Autos und Verkehr plant, bekommt man auch Autos und Verkehr. Plant man Städte hingegen für Menschen und Plätze, so bekommt man auch Raum für Menschen und Plätze."
      Müller sinnierte über das Grundsätzliche, über die Rolle der Autoindustrie im Zeitalter von Urbanisierung und dem wachsenden Bedürfnis nach Freiheit - gleichzeitig klangen aktuelle Themen wie die Diesel-und Luftverschmutzungsdebatte an.
      "Wenn wir die Freiheit individueller Mobilität erhalten wollen, (...)müssen wir in der Tat Mobilität neu definieren, (...), dann muss der Mensch mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt stehen, und nicht so sehr die Technik", gab der Konzern-Chef unumwunden zu. "Und weil wir verstanden haben, dass – bei aller Liebe zum Automobil, die uns prägt und erfolgreich macht – Technologie letztlich immer nur Mittel zum Zweck ist. Dass es um Menschen geht. Um die Gestaltung ihrer Lebensräume", schloss Müller.
      Diese Worte wären dem Ingenieur und Müller-Vorgänger Martin Winterkorn so wohl nur schwer über die Lippen gegangen. Die Liebe zum Detail, der technische Perfektionismus, das stand jahrelang im Fokus der VW-Oberen. Nun: Der Mensch?

      "Verkehrswende geht nur gemeinsam"
      Wenn Müller von "Lebensräumen" spricht, meint er dann auch Innenstädte? Jene Zonen, die bald Diesel-Sperrgebiete werden könnten?
      Wenn auch nicht direkt so ging Müller durchaus auf die weltweiten Folgen der Urbanisierung ein. "Die zunehmende Luftverschmutzung. Staus bis zum Verkehrsinfarkt. Viele nehmen das Auto als wesentlichen Teil dieser Probleme wahr. Und ich verstehe das. Aber ich bin überzeugt: Wir können und wir müssen Teil der Lösung sein!", so Müller.
      Individuelle Mobilität – "neu gedacht" - wie Müller betonte, könne auch in Zukunft Wohlstand, Freiheit und Teilhabe ermöglichen. "Daran arbeiten wir. Und wir werden unsere Anstrengungen in den nächsten Jahren deutlich verstärken", versprach der VW-Konzern-Lenker.
      Gleichzeitig forderte Müller - subtil, aber eindeutig - auch Beistand und Kooperation anderer Akteure ein. "Die Verkehrswende ist Gemeinschaftsaufgabe von Politik und Kommunen, Autoindustrie und Digitalwirtschaft, Verkehrsbetrieben und Transportunternehmen. Wir brauchen intermodale Konzepte – keine Insellösungen. Und auch hier gilt: Das geht nur gemeinsam", forderte der VW-Chef.
      Der VW-Konzern unterhalte bereits 50 Kooperationsprojekte und Städtepartnerschaften "von Barcelona bis Stockholm". In diversen Pilotprojekten teste man, wie Mobilität und Transport der Zukunft aussehen könne. Etwa mit dem „WeDeliver“-Dienst in Hamburg (Lieferung in den Kofferraum). In Kürze will VW am Hamburger Flughafen autonomes Parken testen. Die Ride-Pooling-Tochter Moia startet ebenfalls zum Jahreswechsel in der Elb-Metropole. Last but noch least verwies Müller auf das autonom-Fahrende Shuttle Sedric. 2017 wurde die Studie bereits in Genf vorgestellt, nun war sie als Schulbus zu sehen.
      "SEDRIC verlässt in Kürze die Konzeptphase und wird von einer unserer Konzernmarken in Richtung Serie entwickelt", verriet Müller.

      Der Erdgas-Antrieb ist tot, es lebe das Erdgas...
      Natürlich nutzte Müller die Bühne auch, um nochmals auf die 34 Milliarden Euro zu verweisen, die der Konzern in Elektro-Mobilität, in das autonome Fahren, die digitale Vernetzung und neue Mobilitätsdienste steckt. Schon jetzt habe man acht Elektromodelle und Plug-In-Hybride im Programm. Allein 2018 sollen elf neue elektrifizierte Modell dazukommen. Ab 2019 dann zündet die "VW-E-Rakete" mit dem Porsche Mission E und dem erstes VW I.D..
      Bei den Nutzfahrzeugen geht der eCrafter noch im Herbst 2018 an den Start. Ebenfalls noch in diesem Jahr kommen die ersten elektrischen Citybusse von MAN und Scania in den Testbetrieb, 2019 folgt der Serienstart.
      Eine kleine Überraschung gab es dann doch noch, für die der VW-Chef eigens Kuka-CEO Till Reuter auf die Bühne bat. VW und Kuka haben gemeinsam einen Lade-Roboter für Elektro-Fahrzeuge entwickelt: "CarLa". Dieser kann jedes Elektro-Auto selbständig laden - etwa im Parkhaus - am besten noch einem Parkhaus für autonome Fahrzeuge. Das Auto fährt also alleine zum Parkplatz und wird dort selbständig von Service-Roboter "CarLa" geladen. Müller sagte: "Wir sind drauf und dran, CarLa mit einer unseren Marken zur Serienreife zu entwickeln".
      "Sie sehen: Wir bringen die „Roadmap E“ auf die Straße. Zügig und entschlossen!", betonte Müller - und warb gleichzeitig nochmals für mehr Erdgas-Fahrzeuge, deren Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft sei, die beim Kunden bisher aber nicht recht zünden wollen.
      Last but not least, ließ Müller noch ein wenig Zeit zum Träumen. Italdesign und Airbus sollen morgen die Weiterentwicklung des VW Pop-Up zeigen, eine Mischung aus elektrischem Microwagen und einem Flugelement, das die Passagierkapsel bei Bedarf in die Luft hebt.
      Müller: "Das Auto erobert die Luft."
      Mehr Visionen gab es an jenem Abend nicht. Doch die Rede passte zu diesem Autosalon, der schon im Vorfeld als der Autosalon der Bodenständigkeit gehandelt wurde. Brot und Butter also. Lecker, aber auch ein wenig langweilig.

      Quelle: automobilwoche.de
      Gruß
      Uwe