Reifen für die E-Mobilität: Worauf die Reifenhersteller bei der Entwicklung Wert legen

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    • Reifen für die E-Mobilität: Worauf die Reifenhersteller bei der Entwicklung Wert legen

      Die großen Reifenanbieter stellen sich mit ihren Entwicklungen auf die spezifischen Anforderungen für Elektroautos ein. Dabei gilt es, zahlreiche Eigenschaften unter einen Hut zu bringen.

      Reifenhersteller wie Pirelli, Michelin oder Nokian müssen sich mit ihren Entwicklungen auf die spezifischen Anforderungen durch Elektroautos einstellen. Der italienische Anbieter Pirellientwickelt innerhalb seiner Produktfamilien P Zero, Cinturato und Sottozero in enger Kooperation mit den Automobilherstellern Reifen, die den speziellen Anforderungen leistungsstarker Hybrid- und Elektro-Automobile genügen. Diese Reifen sind mit einer speziellen Technologie ausgestattet, die Pirelli mit dem Markenzeichen ELECTTM kennzeichnet.
      Pirellli verweist auf vier charakteristische Merkmale der E-Automobile, die bei der Entwicklung der Reifen mit der ELECTTM-Technologie zu berücksichtigen sind: Im Vergleich zum klassischen Verbrennungsmotor kann ein Elektromotor fast ohne Verzögerung die höchste Leistung liefern, das maximale Drehmoment ist nahezu ansatzlos verfügbar. Um diesen Kraftschub beim Anfahren sicher und verlustfrei auf die Fahrbahn zu übertragen, ohne dabei vorzeitig zu verschleißen, sind Reifen erforderlich, die sehr robust und abriebfest sind. Und die darüber hinaus über ein hohes Grip-Niveau verfügen, heißt es bei Pirelli.

      Spezielles Profildesign für verbessertes Abrollgeräusch

      Aufgrund ihrer schweren Batterien haben E-Automobile eine ungewöhnlich hohe vertikale Lastverteilung. Diese beansprucht die Reifen beim Beschleunigen und in Kurvenfahrten enorm. "Um dieser Belastung standzuhalten, bedarf es einer sehr widerstandsfähigen Reifenstruktur", so Pirelli. Um diese zu gewährleisten, verstärken Stahlgürtel die Karkassen.
      Ein dritter Aspekt ist die Reichweite. Um diese zu erhöhen, muss der Rollwiderstand der Reifen für E-Automobile möglichst gering sein und ein vierter Punkt sind die möglichst geringen Abrollgeräusch, um den Effekt leiser E-Motoren durch ein lautes Abrollen nicht zunichte zu machen. Um das zu ermöglichen, haben die Ingenieure spezielles Profildesign entwickelt.

      Abruptes Drehmoment der E-Autos

      Auch Michael Ewert, verantwortlich für den globalen Vertrieb in der Erstausrüstung von Michelin, verweist darauf als weltweiter Reifen-Erstausrüster bei den Fahrzeugherstellern von Beginn an in die Forschungs- und Entwicklungsarbeit von neuen E-Modellen der Automobilhersteller eingebunden zu sein, da das Gewicht, die Konstruktion und die Gummimischung des Reifens eine wichtige Rolle spielen.
      Die für eine ausreichende Reichweite notwendige Batteriegröße trage entscheidend zum Fahrzeuggewicht bei. "500 Kilometer Reichweite der Batterie bedeuten circa 500 Kilogramm Gewicht für die Batterie", rechnet Ewert vor. Elektroautos seien aufgrund des Akkugewichts daher in der Regel schwerer und entwickeln ihr hohes Drehmoment abrupter als ein Verbrennungsmotor. Das erfordere Reifen, die für ein größeres Gewicht ausgelegt sind, beziehungsweise einfach größere Reifen. "Darüber hinaus verfügen E-Reifen über eine stabilere Karkasse, die die höhere Traglast gewährleistet", so Ewert.

      Neue Möglichkeiten der Lastverteilung

      Er verweist auf den Elektro-Reifen für Stadtbusse Michelin X Incity Energy Z, der zum Beispiel über eine Karkasse verfügt, die mit speziellen Kabeln verstärkt wird. Darüber hinaus schützen verstärkte Seitenwände den Reifen vor Abnutzung bei häufigem Bordsteinkontakt. Letzten Endes müsse auch die andere Gewichtsverteilung bei Elektrofahrzeugen berücksichtigt werden. "Elektromotoren erlauben mehr Freiheit bei der Gewichtsverteilung und mehr Last auf der Hinterachse als es bei den meisten Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor heute der Fall ist. Dies eröffnet völlig neue Möglichkeiten bei der Lastverteilung", erläutert der Michelin-Manager.
      Da das Innengeräusch des Reifens eines der vielen Geräusche ist, die der Fahrer batterieelektrischer Autos wahrnimmt, entwickelt Michelin Technologien, um den Geräuschpegel deutlich zu reduzieren. Dabei kann beispielsweise die Michelin "Acoustic"-Technologie zum Einsatz kommen. Diese ist charakterisiert durch einen integrierten Schaumstoffeinsatz im Reifeninneren, der die Vibrationsübertragung hemmt und diese folglich verhindert. "So ist für optimalen Fahrkomfort gesorgt", sagt Ewert.

      Geringere Breite der Reifen

      Das Abrollgeräusch des Reifens wird unter anderem durch ein spezielles Profil-Design reduziert. "Hier arbeiten wir intensiv mit den Fahrzeugherstellern zusammen, die europäischen gesetzlichen Anforderungen zur Geräuschreduzierung bis 2024 zu erreichen." Er verweist auf die Verordnung 540/2014 der EU, die seit Sommer 2016 in Kraft ist. Diese sieht einheitliche Grenzwerte für die Geräuschemission unter anderem für Pkw vor – abhängig vom Verhältnis zwischen Leistung und Gewicht.
      Da die Reichweite der Batterie die Hauptsorge von Automobilherstellern darstellt, hält er sogenannte "tall and narrow" Reifen eine gute Lösung, um den aerodynamischen Luftwiderstand durch geringere Breite zu reduzieren als auch durch eine größere Dimension den Rollwiderstand zu optimieren.

      Windschlüpfigen Seitenwandgestaltung

      Generell gilt es bei Reifen im E-Einsatz, den Rollwiderstand zu reduzieren, um die Reichweite des Fahrzeuges bei gleichbleibender Batteriekapazität zu erhöhen. "Hierbei konzentrieren wir uns sowohl auf das Material der Lauffläche als auch auf die Architektur des Reifens. Zudem befassen sich unsere Entwicklungsingenieure mit der Optimierung des Luftwiderstands", so Ewert. Ein Beispiel um aerodynamische Vorteile zu erzielen sieht er in einer windschlüpfigen Seitenwandgestaltung, bei der die Markierungen auf der Seitenwand keinen zusätzlichen Luftwiderstand erzeugen.
      Um den Anforderungen durch das hohe Drehmoment des elektrischen Antriebs und dem erhöhten Gewicht zu begegnen setzt Michelin auf einen spezifischen Materialmix und High-Load-Capactity Reifen, die sich durch eine verstärkte Seitenwand auszeichnen.

      Tests mit elektrischen Taxis in Zentraleuropa

      Bahri Kurter, Senior Vice President Europa bei Nokian, weist auf den Aspekt hin, dass die Fahrzeughersteller den Kraftstoffverbrauch und die Emissionen weiter reduzieren wollen und somit auch die Messlatte für die Reifenhersteller höher legen. "Mit Hilfe unserer umfangreichen Reifentests unter anspruchsvollen Bedingungen mit verschiedenen Partnern und verschiedenen Elektrofahrzeugen bieten wir bereits über 400 hochwertige Winter- und Sommerreifen an, die auch für den Einsatz an Elektro- und Hybridfahrzeugen entwickelt und getestet wurden. Beispielsweise werden unsere Reifen unter authentischen Straßenbedingungen auf elektrischen Taxis in Zentraleuropa und auch den nordischen Ländern getestet", so Kurter.
      Für den Nokian-Manager sollte der Reifen das Beste aus leistungsstarken Elektroautos hervorbringen. Wie die anderen Unternehmen auch verweist er bei der Auswahl der Reifen für ein Hybrid- oder Elektrofahrzeug auf die Kriterien Sicherheit, geringer Rollwiderstand und geringe Geräuschentwicklung. Für Kurter hat Mitteleuropa als einer der Wachstumsbereiche von Nokian höchste Priorität, "dennoch konzentrieren wir uns auch auf den globalen Markt".

      Keine Kompromisse bei anderen Leistungsmerkmalen

      Bei Michelin schreiten die Markteinführungen für das Ersatzgeschäft von Reifen für den E-Einsatz mit Hochdruck voran. Mittlerweile hat sich die Zahl der auf dem Markt verfügbaren Elektroautos schnell vergrößert, "gerade die Region Europa Nord bei Michelin, inklusive Deutschland, Österreich, Schweiz, Skandinavien und das Vereinigte Königreich, ist ein großer Wachstumsmarkt", so Ewert.
      Er macht darauf aufmerksam, dass viele Fahrzeughersteller neue E-Fahrzeuge in den unterschiedlichsten Fahrzeugklassen einführen. Diese Vielfalt bringe unterschiedlichste Performanceanforderungen an die Reifen mit sich. "Wir erfüllen diese Anforderungen mit unseren unterschiedlichen Reifenlinien, bei denen wir die neuesten und besten Innovationen zur Optimierung des Rollwiderstands einsetzen, ohne Kompromisse bei den anderen Leistungsmerkmalen einzugehen."

      Michelin in der Formel E

      Ewert verweist darauf, dass Michelin beispielsweise kürzlich einen neuen Sommerreifen unter anderem für E-Transporter auf den Markt gebracht hat, um auf die zunehmenden Bedürfnisse der Flottenkunden, die in Besitz eines E-Vans sind, eingehen zu können. Marktstart in Deutschland, Österreich und der Schweiz war der 1. April. Darüber hinaus befinde sich der Michelin Energy E-V Reifen für den Renault ZOE im Ersatzgeschäft.

      Zudem macht er darauf aufmerksam, dass Michelin als exklusiver Reifenausstatter in der Formel Epräsent ist. "Und da der Motorsport bekanntlich das Labor der Straßenreifen von morgen ist, können die Endverbraucher auf entsprechende weitere Entwicklungen gespannt sein."

      Quelle: automobilwoche.de
      Gruß
      Uwe
    • wjha schrieb:

      So viele Buzzwords - man will uns vermutlich höhere Preise abnehmen?
      Klar, das wird immer versucht. Bis es zum Massenartikel und damit wieder günstiger wird. Als ich meine 225/35 ZR 19 auf mein Auto gebaut habe, war ein Reifen nicht unter 230 Euro zu bekommen und es gab genau 3 Modelle. Jetzt gibt es hunderte, es geht bei etwa 50 Euro los und gute gibt es ab 125 Euro. Neue Dinge früh zu genießen kostet halt immer deutlich mehr. Meinen 7 Monate alten e-Golf konnte ich für über 30.000 Euro verkaufen können vor gut einem Jahr und ein Jahr später konnte ich einen neuen für 16.500 neu bestellen können. Am Ende setzen die noch die 4000 Euro Kaufprämie durch und er kostet nur 12.500. Das wäre ja schon direkt unwirklich...
      Gruß,
      Stephan

      Kraft macht keinen Lärm, sie ist da und wirkt. - Albert Schweitzer