HERE - Kartenqualität

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    • HERE - Kartenqualität

      Hallo zusammen,

      ich ärgere mich in letzter Zeit immer öfter darüber dass mein ID.3 beim Fahren mit ACC plötzlich beschleunigt weil er eine höhere zulässige Geschwindigkeit erkennt obwohl weit und breit kein Verkehrszeichen steht. Die Infos zur Höchstgeschwindigkeit holt das Infotainment ja sowohl aus dem Kartenmaterial als auch von der Kamera. Da kein Schild zu sehen war muss die Info also aus der Kartendatenbank kommen.

      Das ist unschön wenn man sich mit ACC drauf verlässt legal unterwegs zu sein. Bei mir erkennt das Navi zum Beispiel in einer langen Ortsdurchfahrt ca. 300m vor dem Ortsschild 60km/h, das Auto beschleunigt und dann wird 100m vor dem Ortsschild wieder 50km/h erkannt.

      Ich hab mal in den HERE Map Creator reingeschaut und siehe da die ganzen falschen Geschwindigkeitsinfos stehen genau so falsch im Kartenmaterial. Ich frage mich wie es dazu kommt. Ändert da ein User mutwillig auf falsche Daten? Wobei ich verstanden habe dass gemeldete Änderungen geprüft werden. Oder sind die Kartendaten bei HERE inkonsistent?

      LG

      Christian
      e-Golf 300 12/2017 ... 08/2022 - Wallbox Mennekes AMTRON Xtra 11 C2 - ID.3 Pro kings red metallic seit 6.12.2022
    • Die Rohdaten für Deutschland beziehen die Kartenhersteller immer vom BKG (Bundesamt für Kartographie und Geodäsie)

      Durch das Abfahren mit eigenen Fahrzeugen, kann der Kartenhersteller niemals in einer adäquaten Zeit, das Strassenetz Mappen (Vermessen) und Attributieren.

      Das beginnt schon damit, dass Du bei er Kreuzung wissen musst, von welcher Liniengeometrie Du auf welche andere abbiegen darfst.

      Das BKG hat eine Durchlaufzeit von ca. 5 bis 10 Jahren. Bei manchen Geometrien bekommt man schon seit 20 Jahren den gleichen Fehler in jedem neuen Datensatz erneut ausgeliefert. Es ist allerdings extrem unterschiedlich. Es gibt Landesämter, die innerhalb weniger Wochen ihre Daten aktualisiert ausgeben, andere brauchen eben Jahre.

      Diese Rohdaten landen dann beim Kartenhersteller als entweder spatiale Datenbank oder als ESRI Shapefiled. Im beiden Fällen ist der Informationsgehalt aber gleich.

      Ein Datensatz für Europa besteht aus Millarden von Punkten in entweder Punkten, Linien oder Polygone. Du kannst als Geoinformatiker keine gründliche Plausibilitätsprüfung auf solche riesigen Datenmengen machen.

      Als die Anzeige von Tempolimts populär wurde, gab es Landesanbieter, die diese Informationen bereits sauber attributiert in ihren Daten integriert hatten. Vom BKG hingegen kam anfangs genau gar nichts.

      Wir haben damals uns damit beholfen diese Daten aus 2 Quellen zu generieren. 1. Wir haben angenommen, dass alle Straßen 3. Ordnung, die innerhalb eines Polygones liegen, was als Gemeinde attributiert ist, mit 50 km/h befahren werden darf und 2. es wurden Daten bei 3. Anbietern eingekauft. Oftmals sind diese Fremddaten durch Messfahrzeuge per Kamera und GPS erzeugt worden. Dabei ist die Qualität extrem schwankend. Teils konnte man genau erkennen, dass Messfahrten ohne Differential GPS durchgeführt wurden und die Meßfehler im 2-3 Stelligen Meterbereich lagen.

      Um es einfach auszudrücken: Solange die Bundeskartographie derart träge ist, wird es keinen perfekten Geodatensatz geben.

      Eines darf man auch nicht vergessen: Die Rohdaten des BKG wurden ursprünglich aus der Digitalisierung analoger Vermessungsdaten gewonnen. Fehler von Damals findet man heute noch.

      In den frühen 2000er hatte wir viele Beschwerden von Anwendern, die auf der A7 bei Göttigen an einer Abfahrt von der Autobahn geführt wurden, um sofort wieder aufzufahren. Natürlich wurden wir als Navihersteller als inkompetente Vollpfosten hingestellt. Grund für das Verhalten aber war: Die Ausfahrt war nicht als EXIT RAMP attributiert, sondern als TYPE 0 (Autobahn) mit dem NAME: A7. Gesetzlich ist man angehalten bei Rechtsverkehr den Fahrer auf der Rechten Spur zu halten. Jetzt hat der Algorithmus also 2 Liniengeometrien zur Auswahl. Eine Links, eine Rechts. Also nimmt er die rechte Variante.

      Es dauerte damals 10 Jahre bis die Rohdaten korrigiert waren. In der Zwischenzeit hatten wir uns eine Korrektur Datenbank aufgebaut. Alleine der Abgleich zwischen den Rohdaten und den Korrekturen dauerte auf einer Hochperformanten HP Z Workstation 4 Tage.

      Ich mach mal lieber Schluss; nach 15 Jahren digitaler Kartographie, kann man ganze Bücher über mangelhafte Geodaten schreiben.

      Und tröstet Euch: Spanische Geodaten sind viel schlimmer.
      Gruss, Matz
    • Hi Matz,

      ganz lieben Dank für die Erklärungen eines Experten! Dann muss man wohl damit leben und darf seinem adaptivem ACC nie ganz trauen...

      Hast du noch einen Erfahrungswert wie Userrückmeldungen zu Fehlern eingepflegt werden? Dauert das auch Jahre? Wie wird das validiert? Ich vermute mal da fährt ja keiner (von HERE & Co) hin und schaut sich das vor Ort an ;)

      LG

      Christian
      e-Golf 300 12/2017 ... 08/2022 - Wallbox Mennekes AMTRON Xtra 11 C2 - ID.3 Pro kings red metallic seit 6.12.2022
    • Du könntest dem ACC eher trauen, wenn er die Kartendaten ignorieren würde, bzw. wenn man das einstellen könnte. Es gibt Straßenabschnitte, wo zu Erhebungszeitpunkt temporäre Tempolimits waren. Sowas fließt dann in einen Datensatz und das Auto verzögert plötzlich ohne erkennbaren Grund.

      Problem bei solchen unnötigen Limits ist immer der Nachweis, dass das Limit nicht mehr da ist. Man ist da sehr zurückhaltend, was es angeht falsche und zu hohe Limits freizugeben. Falsch und zu langsam ist rechtlich weniger problematisch.

      Gemeldete Fehler werden immer validiert. Im ersten Schritt i.d.R. automatisch mit einer grundlegenden Plausibilitätsprüfung. Beispiel: Eine Erhöhung eines Tempolimits von 50 auf 80 würde nie ohne Prüfung freigegeben werden, wenn es eine Straße 4. Ordnung im Perimeter eines Wohngebietes ist. D.h. hier sorgt die Prüfung gegen weitere vorhandene Attribute, ob die Änderung einen Sinn ergibt.

      Im nächsten Schritt macht man eine Sichtprüfung gegen aktuelle hochauflösende Luftbilder. Damit kann man bis zu 70% der gemeldeten Änderungen validieren. (gegen Münzeinwurf, bekommt man von einschlägigen Anbietern Auflösungen, wo man Beschilderungen grade noch so lesen kann. Meistens sind das Luftbilder, die aus Winkeln aufgenommen wurden, wo Schilder sichtbar werden.) Die Referenzdaten werden aber so ca. alle 3 Monate mal aktualisiert, sodass es je nach Eingang des Fehlers bis zu 3+ Monaten dauern kann, bis der durch die Validierung ist.

      Weiterhin wird die Häufigkeit eines Fehler gewichtet. Wenn ein Fehler genau 1x gemeldet wird und sich nicht elektrisch validieren lässt, wird er ignoriert. Wird der gleiche Fehler häufig gemeldet, wird er mit Priorität validiert. Ist der Fehler marginal (ohne Auswirkung auf die StVo) und wird oft gemeldet, dann winkt man den auch ohne Prüfung durch. Beliebtes Beispiel sind neue Straßen in Baugebieten. Wenn 2-3x jemand die Straße Ales fehlend meldet und über das Mappingtool einzeichnet, dann schaut man 1x auf ein frisches Luftbild und schon die Straße da. Ähnlich wird das mit Kreiseln gemacht, weil man ja inzwischen weiß, dass die Dinger häufig gebaut werden.

      Im Zweifel wird tatsächlich auch eine Vor-Ort-Pürüfung durchgeführt, allerdings das eher selten. Auf viel befahrenen Strecken versucht man über eigenen Meßfahrten die Daten immer aktuell zu halten.
      Gruss, Matz