Marginalstrom

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    • Marginalstrom

      Ich hab mich über Weihnachten gefragt, warum sich soviele Nicht-Elektrotechniker gebärden, wie furchtbar doch das Elektroauto und sein 100% Kohlestrom ist - dank Marginalstromtheorie. Prof Sinn, Kolben-Koch und andere - komischerweise alle fachfremd. Ich habe keinen einzigen aus meiner Fraktion, den "Elektrischen" gefunden, der die Marginalstromtheorie stützen würde. Nun soll man ja fachfremden Disziplinen nicht die Fähigkeit zum logischen Mitdenken absprechen - auch ich habe an der Uni interdiszipliär gearbeitet und gute Austausche mit anderen Fraktionen gehabt.
      Selbst wenn man sich dieser Logik anschließt: es kommt immer auf das Gebiet an und sein dominierendes Kraftwerk. "Strom nimmt bekanntermassen immer den kürzesten Weg, auch wenn uns das nicht immer recht ist" stand schon in meinem Was-ist-Was Band 24 Elektrizität von 1966 :thumbup: . Und siehe da, das Bayernwerk kennt diese Logik in seinem Öko-Held-Monitor. Es weist nämlich landkreisbezogen unterschiedliche CO2-Quoten je kWh aus.
      Also stark vereinfacht ein zeitgleiches Gedankenexperiment mit sagen wir EE-Einspeisung momentan konstant in DE gesamt:
      a. Ich wohne im Einzugsbereich des Walchenseekraftwerks. Wenn mein Auto zum Laden angeschlossen wird, dreht der Manager des Walchenseekraftwerks den Schieber weiter auf. Ich lade also mit 100% Wasserkraft-Marginalstrom.
      b. Ein Spezl wohnt in Unterföhring beim Müllkraftwerk der SWM und schliesst auch sein Auto zum Laden an. Der Manager des Müllwerks dreht die Feuerung (oder den Drampfdruckregler) weiter auf, es wird 100% Müll-Marginalstrom geladen. Es kann aber auch sein, dass er den Bypass schließt, dann erhöht sich die Effizienz des Dampfkraftwerks und er lädt besseren (CO2-ärmeren) Müllstrom als ohne Laden.
      c. Ein anderer Spezl wohnt in Lichtenau/Westf. in einem der "100%" Windkraftgebiete. Wenn der lädt, wird die eine abgeregelte WIndturbine wieder etwas aktiviert.
      Was zeigt uns das? Es stellt sich gemittelt über die Regionen doch wieder der berühmte Strommix ein, selbst wenn der böse Stromhändler an der physikalischen Strombörse die Bilanzkreise nach Preisen sortiert.
      Wer jetzt sagt, naja, wenn der Mann im Walchenssekraftwerk vergisst, den Schieber weiter zu öffnen, dann bekommst Du den Strom vom Müllkraftwerk, der hat Spannungshaltung im Netz nicht verstanden. Es wird - innerhalb gewisser Grenzen natürlich - in die physikalischen Bilanzkreise Strom immer des nächsten Kraftwerks bezogen und auch angefordert, da sonst riesige Ausgleichsströme fliessen würden, die die Netze überlasten. Gleiches Prinzip übrigens bei den schwachen Verbindungsleitungen zwischen Nord und Süddeutschland. Und da bei uns die 380kV Leitung aus Östrreich vorbei läuft, kommt mein Marginalstrom vielleicht doch aus Österreich von der Tiwag...Hach wie schön wäre es doch, wenn man Eletronen anmalen könnte... ;)

      Manche stellen sich also die Stromwelt so vor wie die OPEC: alle Länder produzieren mit 100% der Kapazität, nur die Saudis als Swing Producer nicht und bestimmen damit den Preis und die Emissionen. Kraftwerke laufen aber selten mit 100%, sondern meist nur mit 80% (oder weniger, abhängig von der EE-Einspeisung udn soweit drosselbar) und haben daher aktivierbare Reserven für ihr Netzgebiet. Für Speicher (Pumpsiecher, Batteriespeicher) gilt dasselbe.

      Der Graslutscher hat die Denklogik hier sehr schön zusammen gefasst: twitter.com/DerGraslutscher/status/1740716585696854147

      QUOTE
      Laut der jüngsten DVI-Studie sind E-Autos nach Marginalstrom-Logik klimaschädlicher als Verbrenner.Die F.A.Z. macht daraus Verbrenner-Werbung, der Spiegel macht es ganz pfiffig :)Aber was ist denn Marginalstrom? Ist der verflucht? Kann man den essen? Oder ist er einfach nur eine etwas theoretische Idee?Der Gedanke ist folgender: Angenommen, ich habe 50% EE-Strom im Netz und 50% Kohlekraft und schließe dann ein E-Auto an die 50-kW-Ladestation an, was für Strom lädt das dann?Marginalstromler sagen: Für dieses Auto fährt ein fossiles Kraftwerk seine Leistung um 50 kW hoch. E-Autos laden deswegen ständig reinsten Fossilstrom Güteklasse F. Wenn aber mehr EE-Strom zur Verfügung stünde als genutzt wird, lädt das Auto reinen EE-Strom.Der Strommix emittierte 2022 etwa 430 g CO2/kWh, der VDI nimmt wegen dieser Marginalgeschichte für ein E-Auto in der Studie aber 750 g CO2/kWh an. 40% mehr Emissionen beeinflussen das Ergebnis dann doch etwas ;)
      Folgende Probleme sehe ich da:
      1. Um diesen Marginal-Mix überhaupt berechnen zu können, müssen wir nicht nur wissen, wann und wo wir EE-Überschuss hatten, sondern wann und wo wie viele E-Autos aufgeladen wurden: Selbst wenn in Süddeutschland Kohlekraft läuft kann ja aufgrund der fehelenden Netze im Norden Windkraftüberschuss herrschen. Die Berechnung dürfte mangels Daten schwierig werden.
      2. Deutschland ist Teil eines riesigen Verbundnetzes, in dem gerade in 2023 oft ausländischen, sauberen Kraftwerken der Vorzug gegeben wurde. Wenn euer E-Auto lädt und Deutschland gleichzeitig mehr Schweizer Premium-Strom importiert, ist das auch eher 0 g Marginalmix als 750 g
      3. Der europäische Emissionshandel sorgt dafür, dass ein reiner Kohle-Tesla Zertifikate verbraucht. Bei optimaler Funktionsweise des EU-EHS dürften die diese 1:1 ausgeglichen an andere Stelle eingespart werden. (Wirkung kann in der Praxis abweichen, aber nicht komplett verschwinden)
      4. In der Studie wird 18 Seiten lang über Marginal-Strom referiert, aber wo ein Mehrbedarf an Erdöl herkommt, wird komplett ignoriert, dabei kann ich hier die gleiche Logik anwenden:Wenn ein neuer VW Golf Diesel in den Bestand kommt, dann muss Deutschland 1.000 Liter Kraftstoff mehr importieren. Die OPEC drosselt gerade die Förderung, wie importieren also mehr extrem klimaschädliches Schieferöl aus Kanada (CO2-Faktor 1,5 bis 2,5).Fährt der neue Golf dann mit Diesel aus reinem Schieferöl?Ich finde ja nicht, aber Marginalstromler müssten das konsequenterweise so sehen.

      UNQUOTE
      Gruss Christian

      1. e-Golf 300 (seit 04/2018) Schnee, Höhenmeter, Rom, Kroatien...alles kein Problem
      2. e-tron 55 (ab 04/2022)


      PV 14,4 kWp Nulleinspeisung (Fronius Symo/Ohm-/Wattpilot), +26qm Solar th.
    • Denke das ist auch einfach Verzweiflung. Es sind viele, die auf das ganze Thema überhaupt gar keinen Bock haben und hofften, sich damit nie beschäftigen zu müssen. Und nun kommt das doch und die blöden Grünen sind schuld, da freut man sich über jede Schlagzeile dagegen.
      Ist dasselbe mit der Öl- und Gasheizung .
      Citroën ë-C4